UNSERE GEMEINSCHAFT SHOSHIN RYÛ KYÛDÔ
WIE SIND WIR ENTSTANDEN?
Inspiriert durch Karlfried Graf Dürckheim, der selbst in Japan neben Zen auch Kyûdô erlernte, empfanden wir den seiner „Initiatischen Therapie“ zugrunde liegenden Anfängergeist (jap. Sho-shin) sehr charakteristisch für unsere Zusammenkünfte.
So wurde bei einem der informellen Treffen das Überraschende unserer Begegnungen reflektiert: Man weiß nie, wer zur nächsten Versammlung kommt und was er mitbringt: „Wir beginnen jedes Mal neu“ – wurde zum geflügelten Wort und führte zu unserer Namensgebung.
Das zeitgleiche Interesse am Bericht Eugen Herrigels (Zen in der Kunst des Bogenschießens) erweckte den Wunsch, Kyûdô im Sinne einer meditativen Disziplin praktisch zu erfahren.
WAS BEWEGT UNS?
Der diametrale Gegensatz zum Initiatischen Geist ist die Akedia:
Die innere Leere und Vereinsamung des in sich selbst verschlossenen Menschen, die Freudlosigkeit und Schwere seines Herzens sind schon bei Augustinus und auch bei Martin Luther ein bekanntes Motiv, um die Situation des ungelösten und unerlösten Menschen beschrieben.
Papst Franziskus hat mit seiner Rede von der Selbstbezogenheit darauf angespielt. Seine Kritik an der Freud- und Schwunglosigkeit geht auf das zurück, was seit den frühesten Wüstenvätern bis hin zu Thomas von Aquin als ein Grund und als Urversuchung des Menschen gilt: die Akedia, die Trägheit des Herzens, die Schwerfälligkeit, der Überdruss an geistlichen Dingen, der zur Traurigkeit dieser Welt führt.
Ähnliche Analysen finden sich bei vielen bedeutenden und maßgebenden Denkern des letzten Jahrhunderts wie etwa Sören Kierkegaard und dann in etwas anderer Tonart Romano Guardini; viele haben von dieser Art Schwermut gesprochen, Martin Heidegger von der lähmenden Angst als Grundbefindlichkeit des Menschen und Sartre vom Überdruss des heutigen Menschen.
Ganz ironisch hat Friedrich Nietzsche den letzten Menschen beschrieben, der sich mit dem kleinen banalen Glück zufrieden gibt, dem aber kein Stern mehr leuchtet.
„Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.“
Auch der Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler hat in seinem Buch „Mehr Freude“ die Erforderlichkeit des modernen Menschen dargestellt.
Die Befreiung aus der akedischen Gefangenschaft gelingt in stetem Neubeginn, in der initiatischen Einstellung.
WAS TUN WIR?
WIR PRAKTIZIEREN KYÛDÔ.
Wir üben das japanische meditative Bogenschießen, wie es durch die Shibata-Familie seit dem 17. Jahrhundert tradiert ist und von Shibata Kanjuro XXI als „Ritsu Zen“ (Zen im Stehen) gelehrt wird.
Geübt wird vor dem Makiwara (Reisstrohrolle) auf etwa zweieinhalb Meter Distanz sowie vor dem Mato (Zielscheibe) auf 28 Meter Distanz. Dabei geht es nicht um Wettbewerb und um das Treffen des Ziels um jeden Preis, sondern um die Bezeugung der Schönheit des Schußablaufs gemäß den Regeln unserer Schule, den Shichi Dô (sieben Schritte). Auch verstehen wir die Zielscheibe (Mato) als unbeirrbaren Spiegel für die aktuelle geistige Verfassung des Schützen. Die meditativ konjugierte Form des Kyudo lässt Anmut und Würde hervortreten.
Wir führen Sie gern in die Kunst des Bogenschießens ein.
WIR TAUSCHEN UNS ÜBER JAPANISCHE PHILOSOPHIE AUS.
Wir studieren ausgewählte japanische Literatur, soweit sie in deutscher Übersetzung vorliegt und reflektieren die Rezeption japanischer Philosophie im Westen wir auch umgekehrt die Wirkung westlicher Einflüsse auf Kunst und Literatur und Philosophie in Japan.
Es gibt einen festen Kern von 4 Personen und von etwa 9 weiteren, die in unterschiedlicher Zusammensetzung reihum zum Philosophieren zusammenkommen. Meist bringt jemand einen Text mit, der sie oder ihn besonders beschäftigt hat, liest ihn vor und man diskutiert.
Nehmen Sie gern teil.
WIR PFLEGEN DEN BUDDHISTISCHEN ANSATZ.
Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Werk Shôbôgenzô von Dôgen Zenji. Seine Auffassungen zu den zentralen Fragen und Themen des Buddhismus beschreibt Meister Dôgen darin auf Grund seiner eigenen tiefen Erfahrung. Er beschreibt die Lehre und die Übungspraxis des Buddha-Dharma in allen wesentlichen Einzelheiten. Für uns ist darin der große Wert des Shôbôgenzô zu sehen, da heute der Buddhismus auch für die westliche Welt immer interessanter wird. Viele Menschen sind auf der spirituellen Suche und fragen nach dem Sinn des Lebens. Im Shôbôgenzô eröffnet sich eine authentische Quelle der Lehre und der Praxis des Buddha-Dharma. Dies ist uns besonders wichtig, da unter dem Stichwort Buddhismus manches verbreitet wird, das mit der wahren Lehre und Erfahrung Buddhas nicht übereinstimmt.
Nach Meister Dôgens Lehre ist der Mittelpunkt des Buddhismus die Zazen-Praxis, das schlichte Sitzen in der Stille. "Buddhismus ist Zazen, Zazen ist Buddhismus", sagte Dôgen, und bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass der Kern der Buddhalehre - die von Gautama Buddha bis heute überliefert wurde - im Zazen ist.
Wir üben Zazen. Shikanta-za (nichts als sitzen) praktizieren bedeutet, sich aufrecht auf ein Kissen zu setzen, alle Gedanken und Gefühle loszulassen und einfach nur zu sitzen. Durch die senkrechte Körperhaltung kommt unser Inneres in sein natürliches Gleichgewicht. So werden wir intuitiv gewahr, dass nicht nur Körper und Geist, sondern auch wir selbst und das ganze Universum nicht getrennt von einander existieren - sondern eins sind. Wir treten direkt in den Buddha-Dharma ein. Deshalb schreibt Dôgen im Bendowa, "Zazen ist das wahre Tor zum Buddha-Dharma." Es geht nicht um Theorie, sondern um praktische leibhafte Erfahrung: „Der Körper ist das Tor zur letzten Verwirklichung“.
Dasselbe gilt für die meditative Bogenpraxis im initiatischen Geist: Nur dieses jetzt – nicht der vorige und nicht der nächste Pfeil.
Bei Interesse nehmen Sie gern Kontakt auf.